Mittwoch, 8. Mai 2013

Nach dem Seminar ist vor dem Seminar

Gestern hat der Sommer hier sein Näschen gezeigt. Genau wie die gewöhnlichen Sterblichen hier ist er ein hellerer Typ, rotblond, robust, und so richtig viel Sonne verträgt er nicht. 

Am Freitag war es schon nett und auch für mitteleuropäische Verhältnisse frühlingshaft. Statt um sechs in der universitätseigenen Kneipe ein Bierchen zu zischen, war jeder auch nur ansatzweise lebendige Teil der Studentenschaft schon um zwei in der Sonne vorm Gebäude. Um drei war‘s richtig laut, ab vier war singen angesagt, und als um sechs der Vorplatz im Halbschatten lag, waren nur noch ein paar versprengte leere Weinflaschen übrig. Am Wochenende war ich wahrscheinlich der einzige Mensch in langen Hosen in Kopenhagen. Gestern hat das Thermometer dann tropische 22 Grad erreicht, und der durchschnittliche Wikinger fängt an, unter der Hitze zu stöhnen. Mein Bürokollege Rune hat sich um halb vier mit den Worten verabschiedet: "Ich hab die Schnauze voll. Ich schwitze jetzt schon seit zwei Stunden wie ein Schwein." Man hat hier halt andere Maßstäbe. Das gilt auch für die Architektur. Unser wunderschönes Unigebäude ist offiziell ein Niederenergie-Gebäude. Das ist dänisch für: Wir bauen ein fünfstöckiges Treibhaus ohne Klimaanlage, weil das im Winter Heizkosten spart und in den zwei Sommermonaten eh alle in Urlaub sind. Und wenn nicht, sorgen die schmelzenden Mitarbeiter auf der Südseite für ein angenehmes Mikroklima.


Nach dem einen Sommertag sieht‘s heute übrigens so aus. Die Leute packen, das ist kein Scherz, ihre Wollmützen wieder aus. Rune hat es, genau wie ich, mitten in einem Gewitterschutt zur Uni geschafft. Und weil es ja bekanntlich kein schlechtes Wetter sondern nur unpassende Kleidung gibt, sitzt der Gute jetzt in seiner Unterwäsche am Schreibtisch gegenüber, und seine Klamotten sind durchs Büro verteilt. Anpassungsfähiges Volk, die Dänen.



Nicht nur im Wetterbericht gibt es hier Veränderungen. Gute drei Monate nach Beginn meines Forschungsaufenthalts in Dänemark hat er endlich auch im engeren Sinn begonnen. Klingt paradox? Nicht wirklich.

Gestern war offiziell unsere letzte Seminarsitzung für dieses Semester.  Seminarvorbereitung ist nicht vor Ende August wieder fällig, und bis dahin kann ich dann tatsächlich forschen! Das heißt, dass ich ab jetzt zwar weiterhin fleißig Dinge lerne, sie aber nicht direkt für die Studis aufbereiten muss. Es macht einen enormen Unterschied, ob ich einen Aufsatz oder ein Buch daraufhin lese, was ich daraus für einen speziellen Zweck (wie einen eigenen Aufsatz) verwenden kann, oder ob ich den gleichen Text zum Unterrichten benutze. Auch ich schreibe mit Sicherheit nicht immer publikumsfreundlich – dieser Blog ist Beweis genug –, aber viele meiner Kollegen kümmern sich nicht darum, verstanden zu werden. Manche Aufsätze lesen sich wie schlechte Erstsemester-Hausarbeiten – nicht, weil die Kollegen inhaltlich daneben liegen, sondern weil die oberste Maxime ihres Handelns zu sein scheint, möglichst viele Fremdwörter zu verketten. Geschwollen und nebulös ist nicht wissenschaftlich, aber das sieht nicht jeder so. Wie ein berühmter roter Kater (nicht er hier, sein fetter, gezeichneter Cousin) es so schön gesagt hat: „Verwirre sie, wenn du sie nicht überzeugen kannst.“

Jedenfalls verbringe ich während der Semester viel Zeit damit, solche inhaltlich guten aber schwer verständlichen Texte greifbar zu machen. Das Ergebnis sind dann Präsentationen, die einen Überblick von Elementen des Computerspiels oder Zeitkonzepten geben sollen. Ob es das wirklich besser macht, darüber streiten sich die Götter (zumindest die der Didaktik). Ich denke immer, dass es für andere nicht schaden kann, solange ich das Gefühl habe, selbst noch etwas dabei zu lernen.

Und was mache ich, wenn ich keine Präsentationen für Seminare zusammenzimmere? Richtig: Präsentationen für Vorträge wie den, den ich am Freitag in Dortmund halten werde. Der große Unterschied ist, dass ich hier mit der Präsentation anfange und tatsächlich am visuellen Material meine Argumentation entwickle. Das ist intuitiv und geht meistens recht schnell, vor allem, wenn man sich wie ich oft beim Schreiben an Details aufhängt. Der rote Faden wird mir auf diese Weise viel klarer. Das Problem ist nur, dass ich danach den roten Faden aufschreiben muss, weil die Präsentation selbst ihn nur andeutet. Und was ist peinlicher, als wenn man sein eigenes Argument vergisst. Auf dem Podium.Vor hundert Leuten.

Wie war das noch im Mittelteil?


Mittwoch, 1. Mai 2013

Was heißt hier 'politisch korrekt'?

Mal ganz spontan und nur für den Fall, dass das in Deutschland vor lauter Champions-League-Taumel noch nicht so richtig eingeschlagen hat: der Trailer für das nächste große Kinoereignis hat mir meinen Glauben in die Politik zurückgegeben. Ich spreche nicht vom endgültigen Beweis der Dominanz des militärisch-industriellen Komplexes in Iron Man 3, sondern vom endgültigen, alles überstrahlenden Biopic. Spielberg's Obama!

Und jetzt stellen wir uns alle die deutschen Alternativen vor: Wim Wenders' Himmel über Angela Merkel, Detlev Bucks Helmut Schmidt in Viel Rauch um Nichts, oder vielleicht auch Rosa von Praunheims Wo die wilden Wowis wohnen. Ich weiß nicht, was ich erschütternder finden soll: die Tatsache, dass der mächtigste Mann der Welt mit Nordkorea und Syrien im Hinterkopf den Nerv für einen selbstironischen Sketch hat, während unsere Politclowns bestenfalls mit einem völligen Mangel an Feingefühl jegliche Chance auf einen Regierungswechsel zunichte machen, oder den Umstand, dass die deutsche Alternativen zu jemandem wie Tracy Morgan – Comedian der Kategorie '(mehr oder weniger) kultivierte Niveaulosigkeit' – jemand wie Cindy aus Marzahn wäre. Aber es geht bekanntlich immer schlimmer.

Roberto Benigni als Giorgio Napolitano etwa.

Wie kriege ich diese Bilder wieder aus dem Kopf ...