Samstag, 30. August 2014

Was Wintersportorte in ihrer Freizeit treiben

Manchmal ist Arbeit schon lästig. Etwa, wenn man in seinem Blog gern von dem spannenden USA-Aufenthalt Anfang des Monats schreiben will, aber partout nicht dazu kommt. Ich habe ja noch während der Fahrt ein paar erste Beobachtungen gepostet, aber nicht nur war auch dort die Zeit extrem knapp, die Verfügbarkeit von ordentlichem Internet war es noch sehr viel mehr. Bevor ich also noch ganz vergesse, wie es dort war, wird es höchste Zeit, darüber zu schreiben.

Die Konferenz, wegen der ich in Snowbird bei Salt Lake City war, ist die DiGRA 2014, die Nachfolgeveranstaltung zu der Tagung in Atlanta, über die ich letztes Jahr geschrieben hatte. Aus einer ganzen Reihe von Gründen war die Konferenz dieses Jahr mit rund hundert Teilnehmern nur halb so groß wie letztes Jahr, und trotzdem waren viele von den Leuten da, auf die ich mich im Vorfeld gefreut hatte. Schade war nur, dass ich eigentlich nicht so wirklich da war.

Zunächst einmal hätte ich es fast nicht nach Salt Lake City geschafft. Der einzig bezahlbare Flug, den ich von Kopenhagen nach Salt Lake City finden konnte, ging über Frankfurt und Chicago, jeweils mit recht knappen Umsteigezeiten von nicht viel mehr als einer Stunde. Um mich dafür, dass ich so waghalsig gebucht hatte, schon gleich vorneweg zu bestrafen, hätte ich in Frankfurt fast meinen Interkontinentalflug verpasst. Mein erster Flug ist verspätet aus Kopenhagen los, hat seine Verspätung wieder rausgeholt, ist dann aber in Frankfurt von der Bodenkontrolle zu einem falschen Gate geführt worden und musste noch einmal über den halben Flughafen fahren. Ich hatte am Schluss noch 15 Minuten, um von B25 nach Z50 zu kommen. Ich habe nachgemessen: es sind fast zwei Kilometer Entfernung, drei Stockwerke Treppen ab- und vier aufwärts, die ich in weniger als zehn Minuten in voller Montur und mit schwerem Bordgepäck gerannt bin. Das hätte ich mir alles sparen können, denn die für den Flug vorgesehene Maschine hatte einen Defekt, und obwohl die Lufthansa schnell ein Ersatzflugzeug aus dem Hut gezaubert hat, konnte ich noch gemütlich zwanzig Minuten nach Hause telefonieren und ausschwitzen, bevor ich an Bord konnte.

Weil die Maschine brandneu und für die Südamerikaroute eingeplant war, hatte sie eine andere Bestuhlung als die ersetzte. Fünf Reihen weniger im Flugzeug bedeuten etwas mehr Beinfreiheit, was natürlich klasse ist - vorausgesetzt, man bekommt noch einen Platz in dem plötzlich überbuchten Flugzeug. Natürlich musste ich erst durch den ganzen Jumbo bis ins Heck, um herauszufinden, dass es meinen Sitz in diesem Modell nicht gab. Oder wie es die charmante Stewardess formuliert hat: "Ah, Sie sitzen heute fünf Meter hinterm Klo an der frischen Luft."

Irgendwann hatte ich dann meinen Sitzplatz und war auf dem besten Weg, irgendwann mit dem Schwitzen aufzuhören. Das Medienangebot war riesig und verlockend, das Essen für Lufthansa-Verhältnisse sehr mäßig, aber mir war alles ziemlich egal - anfangs, weil ich einfach nur froh war, an Bord zu sein, und später, weil ich andere Probleme hatte. Der Flug kam in Chicago verspätet an, und diesmal musste ich in einer Dreiviertelstunde durch den Zoll, quer über O'Hare - einen mit Frankfurt größten Flughäfen der Welt - und durch eine zusätzliche Sicherheitskontrolle. Das habe ich so knapp geschafft, dass man direkt hinter mir die Tür des Flugzeugs verriegelt hat und wir praktisch losgerollt sind, bevor ich auch nur gesessen habe. Dass mein Gepäck die Nacht in Chicago verbringen würde, war mir da eigentlich schon klar.

Ob es die Anstrengung und der Stress des Umstiegs in Frankfurt war oder ich etwas schlechtes gegessen habe: ich habe noch während des Flugs Durchfall bekommen, der dann auch fast die ganze Konferenz durch vorgehalten hat. Dementsprechend wenig kann ich auch vom Rest der Reise und der Konferenz erzählen, weil ich eigentlich nie so richtig bei vollen Sinnen war. Mit Darmkrämpfen, aber ohne feste Nahrung oder auch nur Unterwäsche zum wechseln habe ich die ersten zwei Tage nur darauf gewartet, dass mein Koffer ankommt und ich vielleicht wenigstens eine Banane oder etwas Haferbrei drinbehalte. Von Kollegen habe ich in der Zeit versucht, höflichen Abstand zu halten, und ich habe alle örtlichen Souvenirshops nach Klamotten durchsucht, die mir aber nicht im geringsten geholfen hätten. Bis Salt Lake City sind es von Snowbird 50 km, ein kurzer Abstecher war also nicht wirklich drin.

Meinen Vortrag habe ich auf Autopilot gehalten, aber ab dem selben Abend ging es mir langsam besser, und ich habe noch ein bisschen was von der Konferenz und dem eigentlich wunderschönen Snowbird mitgenommen. Auf 2300 Metern Höhe in einem Tal zwischen 3000ern gebaut, ist es ein künstlicher Wintersportort mit einem halben Dutzend Hotels verschiedener Klassen und einem kleinen Vergnügungspark in der Mitte. Die Architektur ist anfangs ein bisschen verstörend, denn alles ist aus massivem Beton gebaut, was den Komplex aber komplett Lawinensicher macht. Von der ursprünglichen Bergbausiedlung am gleichen Ort - es gab wohl in den Bergen reiche Silbervorkommen - ist nichts mehr übrig, und außer Natur gibt es auch keine Sehenswürdigkeiten, aber die Natur ist dafür nicht nur spektakulär, sondern auch extrem gut erschlossen und zugänglich. Am vorletzten Abend haben wir mit ein paar Leuten einen ersten "Spaziergang" gewagt, der mit 200 Höhenmetern auf 600 Meter Länge und noch einer der machbarsten Wanderwege der Gegend ist. Nach drei Tagen Fasten und in der Höhenluft habe ich trotzdem gedacht, ich sterbe.

Zum Abschluss der Tagung sind wir dann alle mit der Seilbahn auf den 3000 Meter hohen Hidden Peak hinaufgefahren, und auch wenn dort die Luft so richtig dünn wurde, konnte ich den Ausflug dann nach einem vertragenen Abendessen und Frühstück doch halbwegs genießen. Die Aussicht und die (für Flachlandtiroler wie mich) exotischen Gebirgsblumen waren mehr als denkwürdig. Für unseren anschließenden Rund-Trip um den Grand Canyon herum hätte es keine bessere Einstimmung geben können, als von hoch oben schon einmal die Welt bis zum Horizont studieren zu können.




Fortsetzung folgt ...

Montag, 25. August 2014

Marshmallow Man

An diesem Wochenende hatte ich Besuch von der besten Ehefrau der Welt, und wir sind, wie sich das gehört, wieder stilvoll auf Erkundungstour durch Dänemark gegangen. Die freundlichen Menschen von Europcar haben uns ein kleines Upgrade beschert, so dass wir diesmal extra fein unterwegs waren. Unsere erste Dienstfahrt hat uns zu IKEA geführt, wo ich ein paar Annehmlichkeiten besorgen wollte, die sich schlecht in der S-Bahn transportieren lassen. Verglichen mit meinem ersten Trip dorthin in dem ollen, verbeulten, blassroten Fiat-Transporter war das Vorfahren in einem schneeweißen Audi Sportsback schon mehr als chefig. Irgendwie habe ich darauf gewartet, dass gepuderte Lakaien auflaufen und uns mit Bündeln von Pfauenfeder spalierstehen würden. Ist natürlich nicht passiert, war aber trotzdem jederzeit wiederholenswert.

Wir hatten dann zwei nette Tage in den angeblich besonders sehenswerten Orten, die wir beim letzten Mal verpasst haben, nämlich Roskilde, Køge und Stevns Klint. Die Altstadt von Roskilde ist ganz nett, aber außer dem Dom - dem Vorbild der nordischen Backsteinkirchen ganz allgemein, wie uns die Infotafeln dort belehrt haben - und dem mittlerweile etwas in die Jahre gekommenen Wikingerschiff-Museum bietet die Stadt nicht so wahnsinnig viel. Wenn dann noch dazu die Kirche wegen Hochzeitfeiern nicht für Touristen zugänglich ist, hält sich der Schauwert doch arg in Grenzen. 

Als gute Intellektuelle haben wir dann Zuflucht im sicheren Hafen eines Museums für moderne Kunst gesucht, dem Arken bei Ishøj. Das Gebäude ist mehr als nur Teil des Gesamtkonzepts; die Räume sind ziemlich perfekt auf die darin ausgestellten Kunstwerke abgestimmt. Man muss natürlich wissen, worauf man sich einlässt. Damien Hirsts Installation aus toten Fliegen dürfte nicht jedermanns Sache sein.


Am Sonntag sind wir dann noch weiter nach Süden. Die dänischen Kreidefelsen Stevns Klint sind beeindruckend. Allerdings braucht man für eine Wanderung den ganzen Küstenpfad entlang selbst im Sommer ausgesprochen wetterfeste Ausrüstung, so wechselhaft wie das Wetter hier ist. Wir sind trockenen Fußes durchgekommen und ins benachbarte Køge gefahren, wo uns dann das Wetter eingeholt hat. Das Städtchen ist sehr touristisch, weil es sowohl Badestrände als auch Museen und spektakuläre Wanderwege zu bieten hat, und noch dazu eine Altstadt, die mit ihren Fachwerkhäusern absolut mit dem alten Königssitz Roskilde mithalten kann. 

Am Abend sind wir dann noch über den Kopenhagener Vorort Dragør zurückgefahren. Dessen furchtbar langweilige Neubausiedlungen kenne ich schon länger und besser, weil da ein Kollege wohnt, aber wir haben uns zum ersten Mal in den historischen Ortskern verirrt. Der war dann tatsächlich ein krönender Abschluss mit lauter windschiefen Fischerhäuschen, wie man sie sonst nur in Museumsdörfern findet - mit dem feinen Unterschied, dass hier Leute wohnen und Geschäfte haben.

Dass wir es aber am Sonntag überhaupt irgendwohin geschafft haben, war schon ein kleines Wunder, denn wir hatten eines der großen Sportevents des Jahres buchstäblich direkt vor der Haustür. Beim Frühstück haben wir das unverkennbare Kreischen anfeuernder Fahrradfans gehört und mit Schrecken festgestellt, dass der Iron Man Copenhagen durch meine Straße geführt wurde. Das hat uns zwei Stunden Ruhepause verschafft, bevor wir überhaupt nur mit dem Auto wegfahren durften. Letztlich war das natürlich kein Problem, aber ich musste den ganzen Tag drüber nachdenken, was wir wohl gerade für einen Spitzensport betreiben. Vielleicht sollte ich beim IOC mal den Antrag auf eine neue Kombinationssportart stellen: fünf Kilometer spazieren gehen, fünfzig Kilometer Autofahren und fünfzehn Stockwerke Treppensteigen. Und nächstes Jahr richte ich dann den 'Marshmallow Man Copenhagen' aus.


Samstag, 16. August 2014

Am Rand der Welt, oder Leben ohne Internet im Haus

Bis vor zwei Wochen habe ich mir manchmal noch eingebildet, ich wäre altmodisch. Ich drücke mich um Facebook herum, finde Twitter albern und selbstverliebt, und kann mit Inbrunst den Kopf über Essensfotografierer schütteln. Gut, ich blogge, aber auch nur, weil ich zu faul bin, um ständig die gleichen Fragen in E-Mails zu beantworten. Ja, das ist der wahre Grund. Mit Spaß hat das nichts zu tun. Echt nicht.

Die Illusion, ich wäre nicht völlig vom Internet abhängig, ist mir in dem Moment abhandengekommen, als bei uns zu Hause das Internet ausgefallen ist, drei Tage, bevor ich nach Kopenhagen aufbrechen musste. Wir haben uns das Weltungergangsgewitter anfangs noch amüsiert angeschaut, dann unsere elektrischen Geräte ausgemacht, sie dann abgestöpselt, und schließlich angesichts eines unterarmlangen blauen Blitzchens, das aus unserem Kabelmodem ins Wohnzimmer geleckt hat, begriffen, dass ein Unwetter eine Menge Wege hat, in ein Haus zu kommen, wenn es das nur genug will. Nach einer halben Stunde Tests war klar, was an dem Modem kaputt war.

Ich habe dann beim Telefonservice des Kabelbetreibers angerufen und mir zunächst einmal versichern lassen, dass in unserer ganzen Region der Kabelservice ausgefallen wäre. Abends habe ich sogar eine SMS bekommen, die mir die Lösung des Problems versprochen hat. Am nächsten Morgen ging natürlich noch immer nichts, also habe ich wieder mit den Heinern vom Kundendienst telefoniert. Der neue, minimal kompetentere Mitarbeiter hat mich eine Viertelstunde noch einmal alle Tests machen lassen, die das Modem und ich schon einen Tag vorher hinter uns gebracht hatten, nur um dann meiner Diagnose zuzustimmen und mich an den "echten" Hardwaresupport weiterzuverweisen. So sehr ich verstehe, dass man die Spezialisten vor Kunden schützen will, die den Netzstecker für optionales Sonderzubehör halten, war ich dann schon sehr genervt, als es bis zum Rückruf der Hardware-Abteilung Abend wurde und dieser Kollege nach meiner eigenen Diagnose in drei Sätzen - den gleichen drei Sätzen, die ich den Pfeifen bei meinen ersten beiden Telefonaten vorgebetet hatte - mir ohne Zögern recht gab. Natürlich hat es dann mit dem Versand eines Ersatzgerätes gedauert, bis ich schon abgereist war, so dass meine arme Frau sich allein um die entnervende Prozedur des Neuanschlusses kümmern musste.

Lebensnotwendiges Internet (Mads Frost)
Die Ironie der Geschichte ist natürlich - aufmerksame Leser werden es schon vermuten -, dass ich erst in den USA zu neunzig Prozent grottenschlechtes Internet hatte und in meiner neuen Wohnung völlig auf dem Trockenen sitze. Meine Vermieterin hatte vorgeschlagen, dass wir uns ihr W-LAN und damit ihren Internetanschluss teilen, aber erstens ist sie erst heute Nacht sehr spät nach Kopenhagen zurückgekommen und ist mir immernoch das Router-Passwort schuldig, und zweitens sind sämtliche in der Wohnung verfügbaren Netzwerke so stark und stabil wie die in einem durchschnittlichen amerikanischen Motel.

Zum Glück habe ich mir von meinen Kollegen Tipps abholen können, was es für Alternativen gibt, und so die hiesige Verwaltung will, kriege ich im Laufe der nächsten Woche mein eigenes LTE-Modem mit einer schönen Daten-Flatrate. Wann ich online komme, hängt vom Einwohnermeldeamt ab. Beim Abschluss eines Mobilfunkvertrags in Dänemark greift der freundliche Händler über die Sozialversicherungsnummer des Kunden direkt auf dessen Eintrag im Melderegister zu. Natürlich ärgert es mich auf der einen Seite, dass meine Meldung hier noch nicht fertig bearbeitet ist. Gleichzeitig fühle ich mich aber ein ganz klein wenig überwacht. (Verglichen zur Aufregung beim letzten Jahr war der Gang zur Meldestelle dieses Mal wenig überraschend. Im schön renovierten Gebäude sitzen jetzt weniger Mitarbeiter, die Schlangen und Wartezeiten sind entsprechend lang, aber wer will sich schon beschweren. Vor allem, wenn die freundliche Sachbearbeiterin sich nicht nur einen Tadel verkneift, wenn man vergessen hat, sich beim Weggang aus Dänemark abzumelden (hüstel), sondern sich sogar noch für die Unannehmlichkeiten entschuldigt ...)

Zum Glück, wenn man das so sagen kann, gibt es mehr als genug in der neuen Wohnung zu tun, was mich die Zwangsabnabelung von der Zivilisation zumindest zeitweise vergessen lässt. Bei meinem letzten Aufenthalt in Kopenhagen habe ich mich ja ausführlich über die eigenwilligen Hygienevorstellungen meines Mitbewohners ausgelassen, aber mittlerweile habe ich sowohl Indizien als auch Zeugenaussagen, die dafür sprechen, dass es sich dabei um eine weitere liebenswerte nationale Eigenheit meiner Gastgeber handelt. Mein Vormieter war jedenfalls so freundlich, mir in der Küche großzügige Proben seiner liebsten Pastasoße zu hinterlassen, die Böden mit ansprechenden Dreck-Mustern zu dekorieren und im Bad einen natürlichen Patinierungsprozess seinen Lauf nehmen zu lassen, der sicher auch sonstwo viele Fürsprecher finden wird. Ich bin also in den letzten Tagen zum Waschbär mutiert. Nach mindestens zehn Stunden im Büro - wo ich Internet habe - bin ich durch Kopenhagens Supermärkte gezogen, um mir Spezialwerkzeug wie Gummihandschuhe, Spülschwämme, Lappen und Reiniger zu besorgen. Gestern Abend habe ich zwei Stunden die Küche gewienert - das Kronjuwel, der Herd, fehlt mir trotzdem noch -, und heute Vormittag habe ich tatsächlich einen innerstädtischen Baumarkt gefunden, in dem es Schrubber, Besen und Wischmopps gibt.

Singen werde ich, wenn ich heute Abend den Mopp schwinge. Singen!

Dienstag, 12. August 2014

Weltenbummeln für Fortgeschrittene



Wie das eben so ist: Vor neun Tagen mit überhaupt nicht metaphorischen Bauchschmerzen angekommen, kann ich im Moment überhaupt nicht fassen, dass ich schon am Gate für meinen Flug zurück nach Kopenhagen sitze. Natürlich habe ich zwischendurch immer mal wieder ein bisschen die Lust am Leben aus dem Koffer verloren, und selbst die spektakulärste Landschaft ist irgendwann eben nur noch Landschaft. Dennoch ist es ein riesiger Unterschied, ob man sich zwischendurch ein bisschen „Schnauze voll“ erlaubt – im sicheren Gewissen, am nächsten Tag noch ein paar hundert Kilometer am Grand Canyon entlang zu fahren – oder sich langsam auf den speziellen Trancezustand eines Langstreckenflugs einpegelt. Über Zeitverschiebung und Langeweile in Wartehallen denke ich mittlerweile nicht mehr bewusst nach, aber wenn ich in Chicago W-LAN gehabt hätte, wäre ein Teil dieses Posts schon zu lesen gewesen, während ich noch im Flieger über Neufundland war. Auf dem Frankfurter Flughafen kriege ich das Gebacken und kann tatsächlich meinen letzten Zwischenbericht abliefern, während ich noch auf Reisen bin. Irgendwie irre ist das schon, egal wie oft man sowas macht.

Die Gangartwechsel der letzten zwei Wochen waren einfach heftig, und das erzwungene Entschleunigen eines Interkontinentalflugs ist wie eine Vollbremsung im Biorhythmus. Acht Stunden Nichtstun, gerahmt von noch mehr Nichtstun auf Flughäfen und noch einmal langweiligeren und unbequemeren Kurzstreckenflügen, kann eine furchtbare Belastung sein. Nach dem hektischen Hinflug, auf dem nichts geklappt hat und ich auch noch krank geworden bin, war der Rückflug in einem halb leeren Jumbo allerdings geradezu erholsam – zumindest körperlich. Mit dem Kopf bin ich immernoch halb im Grand Canyon und schon halb im neuen Job, der noch weit von einem Arbeitsalltag entfernt ist.


Nach meiner Ankunft in Kopenhagen muss ich erst einmal mit Schwung in den Alltag durchstarten, von den ganz gewöhnlichen Dingen wie der ersten Grundreinigung meiner neuen Bude über den Einstieg in den neuen Job mit einem Arbeitsgruppenmeeting bis hin zum Gang zur Meldestelle. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn nicht all diese Dinge gleich wichtig und dringend wären, nur eben in verschiedenen Kontexten. Ende der Woche dürfte sich dieser erste Stress aber auch erledigt haben, und spätestens dann bemühe ich mich um einen – wie man bei mir zu Hause sagt – manierlichen Bericht meiner ersten Augusthälfte.
Jetzt müsst Ihr mich entschuldigen. Mein Flug wartet.

Samstag, 9. August 2014

Leaving (for) Las Vegas

Da sich die Zeit, in der ich vernünftiges Internet habe, noch immer stark in Grenzen hält, hier noch ein bisschen mehr Schnellvorlauf mit Option auf baldige Nachlieferung von Details: Die Landschaft im südlichen Utah ist unglaublich beeindruckend und abwechslungsreich. Als Computerspielforscher sind wir uns einig, dass wir eine solche Landschaft unter anderen Umständen (sprich: als Simulation) völlig unglaubhaft finden würden.

Nachdem ich alle Hoffnung (und jedweden Machismo-Stolz) habe fahren lassen, mich von oben bis unten mit Sonnencreme eingekleistert und mir einen Strohhut (Cowboy-Style) aufgesetzt habe, bin ich tatsächlich einigermaßen überlebensfähig in der Wüste. Tagsüber Autofahren mit eingeschobenen Foto-Orgien, kurzen aber heftigen Fußmärschen, und abends cholesteringesättigte Mahlzeiten mit verzweifelter und zeitraubender Suche nach dem Hotel für die nächste Nacht - das ist alles, aber kein Urlaub.

Heute Abend sitzen wir in unserem superschönen, aber drei Meilen außerhalb der Stadt gelegenen Hotel in Las Vegas und sind nach drei Stunden (mal drei Mann) Hotelsuche für die nächste Nacht soweit, tatsächlich richtig in der Stadt anzukommen. Wenn der vollberufliche Kontrollfreak nicht ein bisschen mit anderen Dingen beschäftigt gewesen wäre und sich deshalb zähneknirschend auf das "das geht schon" seiner Kollegen eingelassen hätte, könnten wir schon auf dem Strip taschenbestohlen, ausgeraubt und abgezockt sein (in beliebiger Reihenfolge). Aber manchmal muss gut Ding eben Weile haben ...



Donnerstag, 7. August 2014

Demnächst in diesem Theater

Mittlerweile bin ich bereit zuzugeben, dass es eine mäßig gute (will sagen: völlig idiotische) Idee war, einen Tag nach meiner Ankunft in Kopenhagen gleich auf eine Konferenz in die USA zu fliegen. Die Idee wird nicht besser dadurch, dass wir nach Ende der Konferenz noch eine kleine Rundfahrt um den Grand Canyon herum gestartet haben. Oder dadurch, dass ich morgens vor einem Interkontinentalflug noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu IKEA bin. An einem Samstag.
Einen furchtbaren Flug, verdorbenen Magen und verlorenen Koffer später gab's dann keinen Zweifel mehr, dass die Sache ein Fehler war. Trotzdem war die Tagung großartig, und ich habe nicht nur ein paar bestehende Kontakte gepflegt, sondern ein paar wichtige neue geknüpft. Und wann hat man schon mal eine Konferenz in den amerikanischen Rockies?
Und nach dem ersten halben Tag Fahrt durch den amerikanischen Westen bin ich weitgehend versöhnt mit mir, der Welt und meinen idiotischen Ideen. Das nur als Vorgeschmack - Details gibt's später.

Freitag, 1. August 2014

Der Blogenhagen Cop 2.0


Jetzt bin ich also wieder in Kopenhagen, und diesmal nicht als Gast, sondern, ganz ernsthaft und erwachsen, als Professor. Zumindest am Anfang wird das sicher ein mindestens genauso großes Abenteuer wir letztes Jahr.

Bevor wir richtig loslegen können, muss ich etwas klarstellen: Nein, es war keine ausgemachte Sache, dass ich hierher zurückkehren würde. Ich weiß, dass mehr als einer von Euch das gedacht hat – allein schon, weil Ihr mir es ins Gesicht gesagt habt –, aber für mich war das alles andere als eine ausgemachte Sache. Ob ich es wirklich gewollt habe? Da müssen wir über die Definition von „wirklich“ und „wollen“ reden. Ob ich mich darauf gefreut habe? Wie auf einen Zahnarztbesuch. Ob es mich ehrt und stolz macht, dass mich ein paar der klügsten Köpfe in ihrem Fach mich zurück in ihr Team geholt haben? Aber hallo!

„Zurückgeholt“ klingt nach mehr Vetternwirtschaft, als da im Spiel gewesen sein dürfte. Es gab ein langes und ausführliches Besetzungsverfahren, mit einem international zusammengesetzten Gutachterteam und einem zweitägigen Termin fürs Vorstellungsgespräch. Wie groß (und gut) die Konkurrenz war, erfahre ich wohl nur, wenn ich meinen Chef betrunken mache – was nicht allzu schwer sein dürfte, schließlich sind wir in Dänemark. Stolz bin ich seit dem Morgen, an dem ich zum Vorstellungsgespräch aufgelaufen bin. Nicht nur haben mich die alten Kollegen extrem herzlich begrüßt; gleich mehrere meinten, sie könnten sich niemand besseren für die Stelle vorstellen und hätten mich auch menschlich gern zurück. Sowas hört man nicht allzu oft im Leben – jedenfalls ich nicht.

Die Herzlichkeit, die mich in Kopenhagen erwartet hat, ist nur von der übertroffen worden, die mich zu Hause verabschiedet hat. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Natürlich ist es schmeichelhaft zu hören, dass man Freunden, Kollegen und Studenten fehlen wird, aber es tut auch weh. Es ist wahrscheinlich natürlich und unvermeidlich, dass man beim Abschiednehmen klarer als je sonst erkennt, was einen mit Menschen verbindet. Das heißt aber nicht, dass das nicht trotzdem gemein ist. Kurz: ich vermisse Euch wundervollen Menschen zu Haus.

Mein Gejammer bedeutet selbstverständlich, dass bis jetzt alles gut gelaufen ist und ich einfach nur einen anstrengenden und manchmal frustrierenden ersten Tag hatte. Etwa, als der Kollege, der mich hätte unterstützen sollen, nicht aufgetaucht ist, weil er an einer Mauer in seinem Garten weiterarbeiten wollte. Und als ich fast völlig unverrichteter Dinge hätte abziehen müssen, nur weil der Kartendrucker für die Mitarbeiterausweise in Reparatur ist. Oder später am Nachmittag, als ich versucht habe, das örtliche IKEA zu finden, obwohl die Verkehrsführung der S-Bahnen geändert ist und ich, auch eine nicht zu vernachlässigende Kleinigkeit, vergessen habe, mir eine genaue Wegbeschreibung herauszusuchen. Das hat mir einen langen Spaziergang, wenn auch in die komplett falsche Richtung (und zurück), verschafft. Ach ja, und mein Schreibtisch wird erst am 15. frei, das hat unsere Abteilungsleiterin irgendwie übersehen – oder sie wusste noch vor mir, dass ich erst am 13. hier nach der großen Konferenz in den USA wieder auf der Matte stehe.

Auf der Habenseite steht, dass die Kollegen hier auch noch freundlich sind, jetzt wo ich tatsächlich die Stelle angetreten habe, dass ein wirklich netter und extrem guter Kollege voraussichtlich bald unser Team verstärkt, mit dem ich schon lange zusammenarbeiten wollte, und dass ich tatsächlich eine Wohnung habe. Mein unerschöpflicher Optimismus hat auch nach der Nachricht, dass Schlüssel für mich deponiert worden sind, noch gemutmaßt, dass ich das Opfer einer Bande von Immobilienbetrügern geworden sein könnte, die sich auf fremdländische Akademiker und ihre exzentrischen Wünsche spezialisiert haben. Der Schlüssel passt, ich habe ein Bett und ein Sofa und eine Küche mit Kühlschrank und Herd. Der Ausblick auf den Hafen aus dem vierten Stock ist beeindruckend, und S-Bahn und Aldi sind direkt vor der Tür. Es scheint also, kurz gesagt, als hätte ich diesmal etwas mehr Glück, was die Wohnung angeht.

Und wenn ich morgen noch ein paar letzte Besorgungen gemacht habe, darf ich mich ins Flugzeug in die USA setzen und zum ersten Mal zu einer Konferenz fahren, ohne auch nur einen ansatzweise fertigen Vortrag zu haben. Schöne neue Welt.