Samstag, 27. September 2014

Herr Bst kommt

Man kann es mir nicht recht machen, daran gibt es keinen Zweifel.

Letzte Woche war ich unterwegs, unter anderem im sonnigen, beinahe penetrant spätsommerlichen München, und bis dahin hatten wir auch in Kopenhagen noch Sommer. Dänischen Sommer, versteht sich, mit vielen kurzen Schauern und viel kräftigem Wind. Das ist ein wortwörtlich schönes Wetter, denn es sieht sehr viel besser aus als es eigentlich ist. In der Sonne nassgeschwitzt und im Schatten trockengeföhnt ist nur theoretisch ein gutes Konzept, wenn überhaupt. Über das Wetter habe ich mich oft genug im Stillen aufgeregt. Jetzt haben wir weiterhin kurze Schauer und viel Wind, nur eben bei zehn Grad weniger. Und mit mehr Regen. Und mehr Sturm. Herbst eben. Ist auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei.
 
Das erstaunliche ist die Anpassungsfähigkeit der Dänen in dieser Jahreszeit. Wegen der ohnehin immer moderaten Temperaturen im Sommer benehmen sich die Leute lange so, als wäre es Hochsommer, egal was das Wetter treibt. Hotpants bei 18 Grad sind gar kein Problem, auch ohne Strumpfhose. An Tagen, wenn sich das tatsächliche Wetter doch zu radikal vom gedachten oder gewünschten Zustand unterscheidet, weil sich z.B. die Temperatur nicht mehr ignorieren lässt, kippt das öffentliche Leben ein Stück weit um. Während es in der warmen Jahreszeit niemanden drinnen hält und man zu jeder Tages- und Nachtzeit Menschen auf Plätzen und Straßen sitzen sieht, gehen die Einheimischen an solchen Tagen schon auf Wintermodus und huschen von Büro zu U-Bahn nach Hause. Das bedeutet auch schlagartig weniger Radfahrer, was sich wiederum auf das Straßenbild niederschlägt, denn ohne Fahrräder sieht sich Kopenhagen gar nicht ähnlich.

Und dann fängt der Tag sonnig an, und die Menschen sind wieder auf den Straßen und Plätzen. Wochenmarkt, Joggen, Spaziergang - alles, was letzte Woche normal war, wird plötzlich richtig zelebriert. Aufgebrezelt ist man hier ja immer, besonders wochenends, aber an einem unerwartet warmen Samstag legt man gern noch ein Schippchen nach. Wer weiß, ob man nächstes Jahr noch Minirock trägt, oder pastellfarbene Shorts, oder nietenbesetzte Riemchensandaletten. So kriegt jeder potentielle Hinterbänkler im Kleiderschrank nochmal den wohlverdienten Auslauf. 

Eine weitere schöne Sommertradition ist, Fahrräder mit Innbrunst direkt vor der Ladentür abzustellen, und auch die muss heute noch einmal ausgiebig ausgelebt werden. Wobei man den Kopenhagenern sonst wirklich keine Rücksichtslosigkeit vorhalten darf, jedenfalls nicht auf ihren Fahrrädern. Im Supermarkt wird schon mal gern gerempelt, wenn irgendwer blöd im Weg rumsteht, aber auf den Straßen ist man vorsichtig. Das ist nicht nur Selbstschutz, sondern auch eine Notwendigkeit, die sich daraus ergibt, dass man hier gerne, früh und häufig Kinder kriegt, die dann einzeln oder in Scharen über Bürgersteige und Radwege wuseln. Diese unberechenbaren kleinen Menschen sind, denke ich, das Element, das auch den kaltblütigsten Radfahrer ein bisschen langsamer fahren lässt, als man es sonst vielleicht tun würde. Und jetzt, wo die witterungsbedingt in bunten Mäntelchen stecken, sind die Radfahrer gleich noch ein bisschen vorsichtiger (die auf den makellos von Laub und Kastanien befreiten Radwegen sonst keine natürlichen Feinde zu fürchten brauchen). 

Und das finde ich uneingeschränkt begrüßenswert.

Samstag, 20. September 2014

Das Ende vom Lied vom Tod


Nach Grand Canyon war ich schon darauf eingestellt, dass mich Monument Valley vielleicht ein bisschen weniger freudig erregen würde, als ich mir das zu Hause vorgestellt hatte. Der Grund war aber ein anderer - abgesehen von dem Fototapeten-Effekt, den hatte ich auch hier. Monument Valley ist großartig, atemberaubend, und genau wie in jedem Western. Wirklich genauso. Es gibt da sogar eine Plakette, die den Lieblingsplatz von John Wayne markiert. Wenn man da seine Kamera aufstellt und eine Postkutsche oder Horde Pferde vorbeijagt, ist der Western im Kasten. Der Hobby-Fotograf kann auch an seiner Fotoausbeute feststellen, dass es hier zu vertraut war. Nicht nur habe ich insgesamt wenig Bilder von Monument Valley gemacht, das erste ist auch das beste. Ich hätte es bei einem belassen können, denn hier gibt es ihn tatäschlich, den perfekten Shot.

Genau wie beim Grand Canyon klingt das wahrscheinlich undankbarer und desillusionierter, als es gemeint ist (auch wenn mir der John-Wayne-Andenkenshop und die Straße durch Monument Valley fast besser im Gedächtnis geblieben sind als die Felsen selbst). Es ist ein bemerkenswerter Ort, den man einfach nur zu oft auf die exakt gleiche Art gesehen hat, auf die man ihn auch in Natura sieht. Besonders auratisch ist das eben nicht.


Die letzte große Attraktion unserer Fahrt war der Arches National Park, benannt nach den riesigen unterspülten Steinbögen, die wie Brücken oder Tore durch die Landschaft spannen. Auch hier sind wir wieder viel zu kurz gewesen - Freunde von uns, die für eine kürzere Tour zwei Tage mehr Zeit hatten, sind allein hier über zwei Tage geblieben und haben noch lange nicht alles gesehen. Arches war aber auch fast schon unsere Endstation, "kurz" vor Salt Lake City, so dass wir davor und danach richtig lange Autofahrten hatten und keiner mehr die Kraft aufbringen konnte, die anderen zu noch mehr Wanderungen zu überreden. Das Wetter hier war aber auch ein großer Faktor. Obwohl wir erst eine Stunde vor der Dämmerung ankamen, hat die Sonne derart unmenschlich gebrannt, dass sich Leute in die Schatten von Felsen gekauert haben, um ein paar Momente Abkühlung zu finden. Als die Sonne dann erst einmal weg war, wurde es nicht nur schnell kühl, sondern vor allem stockdunkel, und wir sind am Schluss fast zum Parkplatz gejoggt, weil wir nicht zwischen den Felswänden unseren Weg verlieren wollten. Genau wie der Grand Canyon ist Arches ein Ziel, für das man einen ganzen Urlaub einplanen könnte und noch dazu die richtige Jahreszeit finden sollte. Dann kann man hier wahrscheinlich richtig viel Spaß haben.


Als abschließenden Kulturschock sind wir dann noch eine Stunde, bevor das Auto abgegeben sein musste, durch Salt Lake City spaziert, hatten aber kaum genug Zeit, um auch nur einmal in Ruhe um den Mormonentempel herum zu laufen. Die Stadt ist ein bisschen surreal, nicht zuletzt wegen der im restlichen Utah gar nicht so häufigen offensichtlich beseelten Frömmler in ihren gestärkten Hemden und langen Röcken. Es ist wirklich eine ganz nette Stadt, zumindest im eigentlichen Kern, mit interessanter alter Bausubstanz und vielen Kulturdenkmälern, aber der ungute Eindruck, dass einem ständig jemand über die Schulter schaut, ist irgendwie sehr ausgeprägt. So sehr mich die Landschauft von Utah beeindruck hat und ich mich vorstellen könnte, dorthin zurückzukehren, hat mich die Hauptstadt kalt gelassen. Da hat Las Vegas im langweiligen Nevada bei allem Dreck und der unübersehbaren Kriminalität mehr Charme. Aber man kann eben nicht alles haben. Außer als Pferdezüchter im südlichen Utah, der an den Wochenenden runter ins Sündenbabel fährt ...

Man sollte immer noch einen Plan B in der Schublade haben, nicht wahr?

Mittwoch, 17. September 2014

Es kommt nicht auf die Größe an. Wirklich nicht.

Der Grand Canyon. Ich wollte unbedingt hin, und ich würde nie versuchen, ihn jemandem auszureden, aber ganz im ernst: von allen Orten, die wir gesehen haben, ist er der, zu dem ich nicht nochmal müsste. Nicht, dass ich etwas schlechtes gegen ihn sagen wollte - dafür ist er viel zu groß, und nicht, dass er noch seine Brüder mitbringt und mit eins aufs Maul verpasst. Genau das ist aber sein Problem: er ist zu groß.


Aber eins nach dem anderen. Auf dem Weg aus Las Vegas nach Osten kommt man quasi unweigerlich am Hoover-Staudamm vorbei. Noch vor zwanzig Jahren musste man sogar über ihn drüber, was man heute durch eine neue Autobahnbrücke vermeiden kann. Wir haben natürlich trotzdem dort gehalten und ihn uns angeschaut.Was einem direkt auffällt, ist der Raubbau mit dem Trinkwasser, den Las Vegas betreibt. Der Stausee ist auf einem historischen Tiefstand, und in ein oder zwei Jahren wird der Wasserdruck nicht mehr ausreichen, um die Turbinen des Kraftwerks zu betreiben - von allem anderen ganz zu schweigen. Architektonisch ist der Damm aber ausgesprochen faszinierend, sowohl was sein Jugendstil-Dekor angeht als auch was die Umsetzung politischer und pragmatischer Vorgaben angeht. Nur ein Beispiel: Weil der Damm auf der Grenze zwischen zwei Bundesstaaten steht, hat er die beiden Ausleger mit mehreren Türmen, an denen jeweils eine Uhr die Lokalzeit zeigt. Nevada und Arizona sind zwar in der gleichen Zeitzone, haben aber nicht beide Sommerzeit - auf so etwas muss man erst einmal kommen.

Auf unserem Weg zum Grand Canyon sind uns dann schon relativ früh die Rauchschwaden aufgefallen. Als sie noch weit weg waren, fanden wir sie noch interessant. Als sie immer näher kamen, haben sie uns ein bisschen nervös gemacht. Als wir dann auf die endlos lange Zubringerstraße zum Canyon eingebogen sind und dort Schilder standen, die uns auf die 'kontrollierten' Waldbrände hingewiesen haben, ist uns das Lachen vergangen. Eine Stunde lang mit reduzierter Geschwindigkeit dumpf geradeaus zu fahren ist ja schon unter normalen Umständen kein Spaß, aber mit einem staatlich abgesegneten Waldbrand um einen herum ist das einfach nur beunruhigend. 

Es war dann auch nur passend, dass wir die dicke Wand mit Rauchschwaden genau an der Einfahrt in den Grand Canyon National Park durchquert haben. Dahinter wurde die Luft besser, aber tatsächlich hing der Canyon voller Rauch, wodurch wir einen ziemlich ungewöhnlichen Blick auf ihn bekommen haben dürften. Das Problem mit der Größe, von dem ich eingangs gesprochen habe, ist eher eins des Maßstabs, wenn ich es recht bedenke. Der Grand Canyon ist ziemlich genau eine Meile tief und mehr als ebenso breit. Das sind schlichtweg Maßstäbe, für die uns der menschliche Vergleich fehlt. Man sieht sich das an und, ja, es ist sautief. Das ist irgendwie erhaben, aber gleichzeitig auch etwas nichtssagend. Allein schon deshalb, weil durch diese enormen Dimensionen alles so weit weg ist, dass man auch auf eine gigantische Fototapete starren könnte. Es ist ein Mikrokosmos, ein Ort, an dem man wahrscheinlich (als theoretischer, physisch fitter Mensch) zwei Wochen Wanderurlaub machen könnte, ohne dass es einem auch nur einen Moment langweilig würde. Wo die Wanderung durch Bryce Canyon wie ein geselliges, intimes Date war, hatte Grand Canyon eher was vom Treffen auf einen Superstar, der einem hektisch ein Autogramm hinkritzelt - spektakulär, aber ein bisschen belanglos.





Sonntag, 14. September 2014

Verdammt, der schönste Canyon ist keiner!

Da unsere Fahrt durch Utah, Nevada und Arizona direkt nach der Tagung losging, haben wir schon die erste Nacht in einem Staatsforst verbracht und konnten direkt am ersten reinen Urlaubstag die ersten richtig spektakulären Ziele anfahren. Torrey, unsere Station für die erste Nacht, ist ein Dörfchen, das - wenn ich nicht etwas ganz spektakulär übersehen habe - aus nur einer Straße besteht, an der es außer dem General Store, dem Postamt und der Bank nur aus einer Handvoll Wohnhäusern, Restaurants und Hotels besteht. Ein paar Pferde statt Autos, und man ist in jeder Hinsicht voll im Wilden Westen. Mit Blick auf rote Felsen über einen Pferdekoppel hinweg zu frühstücken ist schon cool, aber unsere nächste Station, Bryce Canyon National Park, war nochmal eine ganz andere Hausnummer.

Um es gleich vorweg zu sagen: Bryce Canyon hat mich schwer beeindruckt. Man wird dort zwar recht schnell aufgeklärt, dass der Name irreführend sei und es sich dabei nicht um eine Schlucht, sondern um eine vom Regen der Jahrtausende weggewaschene Felswand handelt, aber mir persönlich ist das ziemlich wurscht. Wir waren zwei Stunden vor Sonnenuntergang dort und haben uns relativ schnell an den Abstieg hinunter in die Schlucht (die keine ist) gemacht. Die Felswände stehen wie ein gigantisches offenes Wespennest einfach so rum, ganz als ob ein Riese sein Pappmaché nicht weggeräumt hätte. Die Kontraste zwischen dem Tiefrot des Steins drinnen und den blasen Kalkfelsen drumherum werden auch nach einer ganzen Weile nicht langweilig, ganz besonders, wenn sich noch ein bisschen Grün dazwischen mischt.

Die steilen Wände haben aber auch etwas einladendes, so schwer das vielleicht zu glauben ist. Das Licht ist schlicht unwirklich, die Akustik wie von einem anderen Stern, und dennoch auf gewisse Weise heimelig - jedenfalls solange man noch Tageslicht hat. Je dunkler es nachher wurde, umso weniger entspannt sind alle Besucher den steilen Treppen entgegen, die einen wieder aufs Hochplateau zurückführen. Am Boden des Canyons beginnen sich dann erste Bäume in die Felsschlucht einzuschleichen, was einen nicht nur visuellen Kontrast erzeugt. Der Boden, auf dem sie stehen, ist in unendlich langer Zeit immer tiefer in den Stein hineingefräst worden, immer tiefer geworden, während die Bäume mit dem wenigen Erdreich, in das sie ihre Wurzeln strecken, so hoch hinaus können, dass sie fast schon über die Schlucht hinausragen. In einer drastischen Reduziertheit führt einem diese Schlucht damit wirklich eindrucksvoll vor, was alles 'Natur' ist - und wie wenig sie mit sich eins ist.





Ist man aus den Felsen heraus, steht man in diesem halb versteinerten, spärlichen Wald, in dem nur ein ausgetrocknetes Flussbett erahnen lässt, dass es hier manchmal auch Wasser geben wird. Trotzdem liegt alles voll mit toten, ausgetrockneten Bäumen, die wie Fossilien von Urzeittieren etwas unsagbar majestätisches haben. So sehr wir unser immer einreden, die USA würden alles verkitschen und disneyfizieren, sind ihre Nationalparks mutige, kaum gezähmte Wälder, in denen außer den Wegen wenig davon zeugt, dass hier Menschen in das offensichtlich komplexe Ökosystem eingegriffen haben.

Diese zweite Wanderung über etliche Höhenmeter in zwei Tagen hat mich ziemlich mitgenommen, vor allem, weil ich gerade erst seit einem Tag wieder richtig essen konnte. Vielleicht war ich auch deshalb von unserem nächsten Stop am folgenden Tag weniger begeistert. Zion National Park hat einen hervorragenden Ruf, und wir sind ihm sicher nicht gerecht geworden, denn es ist ein großes Areal, dass zu weiten Teilen nur mit Führungen und in Shuttlebussen zugänglich ist - was für uns mit unserem strammen Programm nicht in Frage kam. Wir haben deshalb nur mitgenommen, was mehr oder weniger am Wegesrand liegt. Die Betonung liegt durchaus auf "weniger." Unser längster Aufenthalt in Zion war direkt vorm Eingang des Tunnels, den die einzige öffentliche Straße dort durchquert. Von dort sind wir zu einem Aussichtspunkt gewandert, der nur eine halbe Meile entfernt liegt - Luftlinie, wohlgemerkt. Wir haben in der glühenden Mittagshitze fast eine Dreiviertelstunde gebraucht, um uns über schmale Fußpfade und grob behauene Stufen wie Bergziegen an der Felswand entlang und durch Höhlen zu schlängeln, bis wir schließlich den vollen Ausblick über das Tal im Herzen des Parks hatten.   



Von Zion aus sind wir relativ zügig weiter Richtung Las Vegas, was wahrscheinlich einer der wenigen wirklich langweiligen Abschnitte unserer ganzen Tour war. Die Highways im nördlichen Arizona und Nevada sind nicht so wirklich der Hammer, und landschaftlich war es auch eher mau - so, wie man es sich vielleicht im Amerikanischen Westen vorstellt, mit öden Grasflächen, die sich tellerflach bis zu den Hügeln und Gebirgszügen am Horizont erstrecken.

Las Vegas selbst war dann der Ort, an dem ich wirklich um jeden Cent froh und glücklich war, den wir für ein Navigationsgerät draufgezahlt hatten. Die Stadt ist sehr viel größer, als man sich das vielleicht so vorstellt, was man ja auch eigentlich schon leicht daran ablesen kann, dass der Flughafen der Stadt allen ernstes in der Stadt ist. Und auch wenn es nur eine wirklich wichtige Straße gibt, den Strip, so ist das doch eine verdammt lange Straße. Ja, es gibt eine Magnetschwebebahn, die ein paar der ganz großen Hotels verbindet und mit der man kostenlos am Strip entlang kutschiert wird, aber wir waren letztlich sehr froh, ein Auto dabeizuhaben. Vor allem, wenn man in der Stadt etwas tun will, was nichts mit Casinos zu tun hat, wird es schwierig, die großen Distanzen zu bewältigen.

Als Spieleforscher haben wir natürlich einen ausgiebigen Foschungsaufenthalt im Palazzo oder Venetian - wo welches aufhört, ist nicht so ganz klar - hinter uns gebracht, auf dem aber nur $11 an privatem Vermögen dem experimentellen Glücksspiel geopfert worden sind. Und über Automaten sind wir dabei auch nicht hinausgekommen, denn die Mindesteinsätze an den richtigen Blackjack- und Roulettetischen waren mehr, als wir einfach so verspielen wollten. Wir haben unsere Forschung dann ans andere Ende der Stadt verlagert und in der Pinball Hall of Fame die vergleichsweise obszöne (und schon wirklich unvernünftige) Summe von $20 in alte Flipper und Computerspiele gesteckt.

Die für mich größte Überraschung an Las Vegas war allerdings, das wir dort spektakulär gut gegessen haben. Direkt nach unsere Ankunft waren wir in einem Mexikanisch-Koreanischen Fusion-Food- Lokal, wo wir Tacos mit Kimchi mit mexikanischer Coca Cola (die noch traditionell mit Sirup gesüßt wird) hatten. Und auf unserem Weg aus der Stadt hinaus waren wir in einem der Traditionsrestaurants der Stadt, dem Omelet House. Dort gibt es nicht nur Omelette, sondern, wie in jedem ordentlichen Amerikanischen Laden, auch Waffeln und Steak, aber die fünfzig Sorten des Hauptgerichts sind alle interessant (wenn auch manchmal ein bisschen eklig). Vor allem sättigen sie. Was man dort als eine Portion serviert kriegt, besteht aus mindestens vier Eiern, einem halben Liter Milch und einem Pfund Käse, und dazu kommen dann noch die richtigen Einlagen nach Wunsch.

Das war unser Frühstück. Vierzehn anstrengende Stunden später sind wir in Arizona in einen Diner spaziert, haben die Karte studiert, und ohne Absprache einmütig nur Getränke bestellt, weil noch immer keiner hungrig war. Will sagen: Falls ich je wieder in die Stadt komme, weiß ich schon, wo ich mindestens einmal zum Essen hin will.

Mittwoch, 10. September 2014

Königlich unterwegs


Wenn man nicht weiß, wo man anfangen soll, ist das meistens ein gutes Zeichen, dass man etwas zu erzählen hätte. Bevor ich endlich meine (mittlerweile ganz schicke) Wohnung herzeigen kann, von meinen neuen Studis erzähle und mich über das Professorendasein auslasse, muss ich erst noch die große USA-Tour nachliefern, schätze ich. Für die Größenordnung unserer Rundreise durch das trockene Herz des Wilden Westens haben wir beunruhigend wenig im Voraus geplant. Eine der wenigen Entscheidungen, die sich nicht aufschieben ließ, war die unseres Fluchtfahrzeugs. Da recht schnell feststand, dass unser Weg uns durch Las Vegas führen würde, habe ich lange Zeit zwischen CSI und Hangover geschwankt, mich letztlich dann aber für die "Luxuskategorie"-Limousine entschieden. Luxus war dann letztlich nur der Name des Gefährts: Buick Regal heißt übersetzt "der königliche." Versteh mich niemand falsch, dieser leicht amerikanisierte Opel Insignia ist ein nettes Auto, aber wenn man mit einem Einsneunzig-Norweger reist, wünscht man sich recht schnell mehr Kopffreiheit für ihn - und sei es nur, damit er zu jammern aufhört.

Rückblickend - oder auch nur mit Blick auf die Karte - haben wir wohl ein bisschen großzügig kalkuliert. Insgesamt haben wir an sechs Tagen fast 2500 Kilometer gefahren, und auch die nicht gleichmäßig verteilt, so dass wir am Schluss kaum noch aus dem Auto herausgekommen sind. So wirklich schlimm war das aber eigentlich nicht, weil die Landschaft, vor allem im südlichen Utah, so wahnsinnig spannend ist. Kaum dass man aus Salt Lake City raus ist - eine Stadt, deren Umgehungsstraße bis auf die etwas niedrigere Einfassungsmauer erschreckend der aus dem zweiten Matrix-Film ähnelt - wird es grün um einen herum. Spätestens hinter der Universitätsstadt Provo wird es ländlich, und selbst wenn man auf dem Highway bleibt, hat man einiges zu sehen.

Wir sind relativ schnell vom Highwayauf den 'Scenic Byway 12' gewechselt, eine der angeblich schönsten Landstraßen der USA, was sich wirklich gelohnt hat. Nicht nur hat uns dieser Weg über Torrey und seine roten Felsen geführt, die fast wirken, wie ich mir das Australische Outback vorstelle. Auch bekommt man so eine bessere Vorstellung davon, wie dünn das Land besiedelt ist, wie sehr die Leute dort tatsächlich ihre Pick-Ups und Pferde brauchen, wie wichtig wahrscheinlich auch heute noch die Quelle auf dem eigenen Grundstück ist. Ohne Bewässerung ist dort wahrscheinlich Essig mit Landwirtschaft, was einem bei zügiger Fahrt jederzeit klar ist, weil sich karge, fast wüste Landschaft mit ausgedehnten Wäldern und Seen abwechselt. Sicher gibt es auch sonstwo viele schöne Ecken in nächster Nähe, aber ich bezweifle ernsthaft, dass man an vielen Orten innerhalb einer halben Stunde Autofahrt von einer Mondlandschaft in ein idyllisches Gebirgstal und zurück kommt.



Wie das auf so einer Reise ist, haben wir anfangs noch viel geredet, aber an den letzten zwei Tagen musste dann niemand mehr Konversation machen. Wir konnten dann tatsächlich auch entspannt schweigen. Manchmal war mir aber auch sehr nach Gespräch, um die eigentlich bitter notwendige Musik ausblenden zu können. Es ist erstaunlich, wie schwierig es selbst mit zwei Telefonen und einem iPod voll Musik sein kann, eine Schnittmenge zu finden. Bei einer Altersspanne zwischen Doktorand, jungem Professor und älterem Professor von etwa zwanzig Jahren sind wir anfänglich ans konservative Ende des Spektrums tendiert, bis ich nach einem Tag Bruce Springsteen, Bob Dylan und Dusty Springfield ernsthaft über die unaussprechliche Alternative nachgedacht habe: Mittelwelle-Country-Radiosender. Meine gelegentlichen ungewollten Vollbremsungen mit der ungewohnten Automatik-Pedalerie - man kuppelt schließlich aus, wenn man an eine Kreuzung kommt, auch wenn das in diesem Fall heißt, dass man mit links die Bremse voll durchtritt - waren also wahrscheinlich nur ein spontaner Abwehrmechanismus. Ein musikalischer Reflextest, sozusagen.


Auch wenn nur zwei von uns dreien einen Führerschein haben, konnten wir uns wenigstens ein bisschen mit dem Fahren abwechseln. So gut die Straßen in diesem Teil der USA auch sind, machen einen die richtig langen Abschnitte natürlich mürbe. Das eigentlich schlimme ist aber, diese phantastische Landschaft vorbeiziehen zu sehen und nicht fotografieren, ja noch nicht einmal ausgiebig gucken zu können. Gottlob sind wir nicht immer nur gefahren, sondern haben regelmäßig angehalten und Canyons begutachtet. Dazu beim nächsten Mal mehr ...