Freitag, 27. März 2015

Im Vorfrühling die Kuh fliegen lassen

Seit zwei Wochen ist es scheinbar schlagartig schon immer so früh hell, dass es mir ganz komisch vorkommt, vor einem Monat noch aus ganzem Herzen über die unmenschlich kurzen Tage hier gejammert zu haben. Schon seit Anfang März geht die Sonne so früh auf, dass ich keinen Wecker bräuchte, und in spätestens vier Wochen werde ich ernsthaft über zusätzliche Verdunklung nachdenken müssen, wann immer ich länger als bis sieben schlafen will.

Das dänische Gemeinschaftsleben ist auf diese Gezeitenwechsel natürlich bestens eingestellt. Damit meine ich, dass nicht nur die ersten Einzelgänger in Shorts oder bauchfreien Tops unterwegs sind, sondern ganze Geschätszweige angefangen haben, sich für die warme Jahreszeit ... nun ja, warmzumachen. Am ersten Märzwochenende haben die Eisdielen wieder geöffnet, und bei Paradis, der größten Kette, gibt es am ersten Geschäftstag eine Gratisportion. Diese Information ist schon reichlich beruhigend, wenn man Schlangen um Häuserblocks anstehen sieht und sich fragt, ob man es mit Massenpanik oder Notstand zu tun hat.

Auch alles ansatzweise touristische kommt jetzt aus dem Winterschlaf. Bei manchen Veranstaltungsorten ist es absolut einleuchtend, dass man sie im Winter nicht nutzt. Es gibt hier eine alte Zisterne, die jetzt als Ausstellungshalle genutzt wird, und bei Minusgraden will man jetzt wirklich nicht in einer immer feuchten, dunklen künstlichen Höhle Zeit verbringen. Manche Orte könnten aber definitiv auch das ganze Jahr durch genutzt werden, wenn man nur ein paar Kleinigkeiten ändern würde. Klar ist es zunächst vielleicht der "Street Food Market" nichts, was man als wintertaugliche Attraktion vorstellen würde.

Da aber das wechselhafte Wetter in Kopenhagen die Einheimischen recht vorsichtig macht, liegt die Betonung nicht auf Street, sondern auf Food. Statt unter freiem Himmel sind die Imbissbuden mit Essen aus aller Herren Länder nämlich in einer alten Lagerhalle aufgebaut. Das ist nur ganz am Anfang befremdlich, auch wenn es den unvermeidlichen Nebeneffekt mit sich bringt, dass man sich eben wie in einer riesigen Garküche fühlt. Die Betreiber haben sicher ausgeklügelte Maßnahmen getroffen, um den Kochdunst von fünfzig Grills, Woks und Pfannen aus der Halle zu schaffen, aber natürlich funktioniert das kein Stück. Es ist ein bisschen wie ein Disko, in der man die Nebelmaschine mit Frittenfett gefüllt hat - ein bisschen eklig, aber stimmungsvoll. Ich frage mich aber noch immer, ob die Location eine Notlösung oder Ergebnis ungeheuer ausgeklügelter Überlegungen ist: Auf Papirøen, einer der Binnenhafen-Inseln gelegen, ist der Street Food Market eigentlich nur mit dem Fahrrad wirklich sinnvoll zu erreichen. Es gibt zwar eine Verbindung mit den Wasserbussen zur Nachbarinsel, aber die Linie fährt am Wochenende (und nur dann ist der Markt geöffnet) einmal in der Stunde. Wie gesagt, vielleicht ist das ja kalkül. Ich war jedenfalls zum Umfallen hungrig, bis wir endlich angekommen waren ... 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen